Mielisch, P., Lutz, C., Haas, C., & Woschek, S. (2019). The influence of self-regulated exercise in People with multiple Sclerosis.
Hier das vom European Congress of Neurorehabilitation prämierte Abstract zum Vortrag von unserer SpoKs-Trainerin Philine. In ihrem Beitrag stellte Philine die Auswertung von SpoKs-Daten aus dem Zeitraum Juni 2015 bis Mai 2017 vor:
Introduction: Numerous studies indicate that exercise training has a positive effect on various symptoms in multiple sclerosis (MS). The aim of this study was to find out what impact a self-regulated sportive training has on gait, self-efficacy and sport-related self-efficacy in people with MS (pwMS) and how it affects the different types of disease.
Methods: Initially, the participants complete an evidence-based education program within two weekends to be prepared for a self-regulated training phase. After the first weekend they were encouraged to train self-regulated for twelve weeks. Out of 108 participants 77 (67 women, 10 men; mean age 51.37 ± 8.89 years; mean years of disease 17.47 ± 9.81) were included in further statistical analyses on motoric data and 72 (64 women, 8 men; mean age 51.03 ± 8.65 years; mean years of disease 18.19 ± 9.75) for the statistical analyses on psychometric data. For further subanalyses concerning the different forms of MS, the data of 28 participants with relapsing-remitting (RRMS), 20 with secondary progressive (SPMS) and 10 with primary progressive MS (PPMS) were included. The Functional Gait Assessment (FGA), the Multiple Sclerosis Self-efficacy Scale (MSSES) and the Self-efficacy towards physical exercise Scale (SSA) were used as measurements before (T0) and after (T1) the intervention period.
Results: The results of the FGA presenting a significant difference between T0 and T1 and a large effect size in the total sample (p<0.001; d=-1.96) and in the groups with RRMS (p<0.001; d=-2.43) and SPMS (p<0.001; d=1.02). The results of the participants with PPMS showed no differences, but a trend to significance (p=0.066) and also a large effect size (d=-1.43). There could not be recognized any significant changes in the MSSES and the SSA-Scale. Only the results of the group with RRMS showed a trend to significance (p=0.054) and a large effect size (d=-0.78) in the MSSES.
Conclusion: A self-regulated exercise training is an option to improve walking ability in pwMS. Future studies should seize up the approach of self-regulated training to reveal further positive effects. It is very important to show pwMS ways to influence their health status without being depended on therapists, physician and given schedules. Only well-educated and empowered pwMS are able to exercise self-confidently and set training and rest periods, meaningfully.
Auf zum Tanz!
Der Alterungsprozess führt dazu, dass wir Menschen alle einem Rückgang der kognitiven und körperlichen Leistungsfähigkeit unterliegen. In der Studie aus der Zeitschrift Fontiers in Human Neuroscience zeigen die Ergebnisse der Forschungsarbeit, dass ältere Menschen von regelmäßigem Sport profitieren und diesen Alterungsprozessen im Gehirn entgegenwirken können. Die Forscher verglichen eine Gruppe, die regelmäßiges Ausdauertraining durchführte, mit einer Gruppe, die regelmäßig tanzte. Die Studie hebt hervor, dass die Tanzgruppe immer wieder neue Tänze und Schritte erlernen sollte und so neben den positiven Effekten auf das Gehirn auch das Gleichgewicht der Tänzer stark verbessert wurde! TANZEN wirkt kognitiven und körperlichen Alterungsprozessen entgegen!
Den Beitrag hat ein Forscherteam in Magdeburg vom Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen publiziert.
Kathrin Rehfeld, Patrick Müller, Norman Aye, Marlen Schmicker, Milos Dordevic, Jörn Kaufmann, Anita Hökelmann, Notger G. Müller. Dancing or Fitness Sport? The Effects of Two Training Programs on Hippocampal Plasticity and Balance Abilities in Healthy Seniors. Frontiers in Human Neuroscience, 2017; 11 DOI: 10.3389/fnhum.2017.00305
Zum Link kommt ihr über https://www.sciencedaily.com/releases/2017/08/170825124902.htm
Sportorientierte Kompaktschulungen für Menschen mit Multipler Sklerose (SpoKs) – vorläufige Ergebnisse
von: Stephanie Kersten, Christina Lutz, Magnus Liebherr, Patric Schubert, Florian Beaudouin, Philipp Wagner, Christian Haas
(Veröffentlicht auf dem Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN ) in Leibzig, 2017)
Hintergrund: Sport stellt, neben zahlreichen gesundheitsrelevanten Funktionen für Personen mit Multipler Sklerose (PmMS) (Platta et al., 2016), ein wichtiges soziales und kulturelles Element dar. Allerdings wird aus Untersuchungen zur Sportaktivität bei MS deutlich, dass vielen Betroffenen der Zugang zu Sport verwehrt bleibt (Kersten et al., 2014). Gründe hierfür können Unwissenheit, Angst, Symptomatik, Schmerzen, fehlende Angebote oder mangelnde Motivation sein.
Ziele: Bisherige Untersuchungen zeigen, dass es möglich ist, PmMS in Sport und Bewegung auszubilden, um Ihnen einen Zugang und krankheitsgerechten Umgang mit Sport zu ermöglichen (Kersten et al., 2014). In Kooperation mit sieben Landesverbänden der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft werden seit Juni 2015 sportorientierte Kompaktschulungen (SpoKs) als Wochenend- Workshops angeboten, um PmMS sowohl einen Zugang zum als auch eine langfristige Bindung an Sport zu ermöglichen.
Fragestellung: Können PmMS sportspezifische Kompetenzen erwerben, so dass sie innerhalb von zwölf Wochen mittels selbstgesteuertem Training ihre körperliche Leistungsfähigkeit verbessern und ihre Selbstwirksamkeit erhöhen?
Methoden: Bisher wurden im laufenden Projekt sieben SpoKs vollständig abgeschlossen. 42 Schulungsteilnehmer/innen [Alter: 52,4±8,8 Jahre; Krankheitsdauer: 17,2±9,7 Jahre] haben dabei alle Schulungstermine wahrgenommen sowie alle Eingangs- und Ausgangstests absolviert. Vor dem Beginn der Schulung (T0) und zwölf Wochen danach (T1) wurden motorische Tests wie der Six- Minute-Walk-Test (SixMWT), der Ten-Meter-Walk-Test (TenMWT) und das Functional Gait Assessment (FGA) sowie psychometrische Tests zur Fatigue (Fatigue-Severity-Scale) und Selbstwirksamkeit (Selbstwirksamkeit-zur-sportlichen-Aktivität-Skala) durchgeführt.
Ergebnisse: Die Ergebnisse zeigen eine signifikante Verbesserung der Gehgeschwindigkeit (p<0,01), der maximalen Gehstrecke innerhalb von sechs Minuten (p<0,01) und des dynamischen Gleichgewichts (p<0,001) nach zwölf Wochen. Keine statistisch signifikanten Veränderungen zeigen die Ergebnisse der Fatigue und der Selbstwirksamkeit. Insgesamt tolerierten die Teilnehmerdie psychische und physische Belastung der Workshops sehr gut und konnten durch den Kompetenzgewinn ihr sportliches Training zielorientiert in den Alltag integrieren bzw. erweitern und sinnvoll bewerten.
Schlussfolgerungen: Der didaktische Schwerpunkt der SpoKs liegt auf einer individuellen, flexiblen und persönlichen Betreuung trotz Gruppenangebot. Zuweilen besteht das Risiko, dass individuelle Bedürfnisse von MS-Betroffenen in Pauschalangeboten zu wenig berücksichtigt werden und so eine sinnvolle Trainingsgestaltung sowie der nachhaltige Trainingserfolg gefährdet sind. Die Ergebnisse der laufenden Studie zeigen, dass sowohl Personen, die sporterfahren sind als auch Personen, die sich noch nie mit Sport beschäftigt haben, von dieser Schulungsmaßnahme profitieren. Ergebnisse internationaler MS-Studien belegen, dass regelmäßiges sportliches Training zu bedeutsamen Verbesserungen bei motorischen, kognitiven und symptomatischen Parametern führen kann (Motl & Sandroff, 2015). Darüber hinaus zeigte sich in der vorliegenden Studie, dass die Stichprobe durch eine durchschnittlich lange Krankheitsdauer charakterisiert ist. PmMS sollte allerdings frühzeitig nach Diagnosestellung sportspezifische Schulungsmaßnahmen empfohlen werden, da der Umgang mit Sport und Bewegung eine Schlüsselrolle im weiteren Krankheitsverlauf darstellen kann.
Literatur:
Kersten, et al. (2014). Zum Sport- und Bewegungsverhalten von Multiple Sklerose-Patienten – eine explorative Analyse. Akt Neurol, 41(02), 100-106.
Kersten, et al. (2014). A Pilot Study of an Exercise-Based Patient Education Program in People with Multiple Sclerosis. Mult Scler Int, 2014(1). doi: 10.1155/2014/306878
Motl, & Sandroff (2015). Benefits of Exercise Training in Multiple Sclerosis. Curr Neurol Neurosci Rep, 15(9), 62. doi:10.1007/s11910-015-0585-6
Platta et al. (2016). Effect of Exercise Training on Fitness in Multiple Sclerosis: A Meta-Analysis. Arch Phys Med Rehabil, 97(9), 1564-72.
Hochintensives Training (HIT) wirkt sich positiv auf das verbale Gedächtnis, die Ausdauerleistungsfähigkeit und auf Moleküle, die die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke beeinflussen.
Dies konnte eine neue Studie von Zimmer et al, 2017 aufzeigen, in der die Auswirkungen eines HIT mit denen eines Standard-Trainings eines üblichen Reha-Aufenthaltes von drei Wochen verglichen wurde.
Die HIT-Gruppe trainierte dreimal pro Woche in 5 x 3 Min HIT Intervallen auf dem Rad-Ergometer mit 1,5 Min aktiven Pausenintervallen bei reduzierter Umdrehungszahl. Das Training dauerte insgesamt 20 Min inklusive 2 Min Warm-up und 2 Min Cool down. Zusätzlich gab es eine Erholungsperiode von 45 Min nach dem Training.
Die Kontroll-Standard-Trainingsgruppe trainierte dagegen fünfmal pro Woche mit 30 Min bei moderater Intensität auf dem Rad-Ergometer, ebenfalls inklusive 2 Min Warm-up und 2 Min Cool down.
Die Ergebnisse zeigen, dass beide Gruppen ihre Ausdauerleistungsfähigkeit verbessern konnten, wobei die HIT-Gruppe jedoch eine größere Verbesserung im Vergleich zur Standard-Trainingsgruppe verzeichnen konnte. Des Weiteren weist die HIT-Gruppe eine Verbesserung der verbalen Gedächtnisleitung auf sowie eine günstige Anpassung von Molekülen, welche die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke beeinflussen und somit eine Rolle für das Eindringen von Entzündungsfaktoren ins Gehirn haben.
Das HIT wurde gut vertragen, ist zeitsparend und scheint größere Anpassungen als das Standard-Training zu haben. Die Autoren weisen darauf hin, dass weitere Studien zu diesem Thema empfohlen werden.
Zum Originalartikel geht es hier:
Multiple Sklerose & Sport – Training in Down Under
Wie trainieren eigentlich die Personen mit Multiple Sklerose auf der Südhalbkugel am anderen Ende der Welt? Das habe ich durch mein Praktikum in einem Rehabilitationszentrum für neurologische Erkrankungen in Sydney/Australien herausgefunden.
Eines ist klar: Sport und Bewegung spielt im Leben der Australier eine sehr große Rolle! In Australien buchen viele Patienten neben dem einmal wöchentlichen Gruppentraining, das von einem Gesundheitsfond für chronisch Erkrankte übernommen wird, noch eine oder sogar zwei weitere Trainingseinheiten dazu (Kosten für ein Gruppentraining: ca. 60 AUD / Trainingseinheit, Kosten für ein Einzeltraining: ca. 180 AUD).
Das Gruppentraining:
Geschont werden die Teilnehmer hier nicht. Das Gruppentraining besteht aus acht Übungen mit vier Übungen für den Oberkörper und vier Übungen für den Unterkörper. Jede Übung wird dreimal 45 Sekunden ausgeführt bevor man zur nächsten Übung wechselt. Die Pausen zwischen den Belastungsintervallen dauern ebenfalls 45 Sekunden und erst nach vier Übungen findet eine längere Trinkpause von ca. drei bis fünf Minuten statt. In jeder dritten Runde einer Übung werden die Teilnehmer zusätzlich durch eine kognitive Aufgabe gefordert, in dem sie z.B. Hauptstädte mit dem Anfangsbuchstaben „S“ nennen müssen. Hier sieht man, ob die kognitive Aufgabe die Bewegungsausführung der motorischen Aufgabe beeinträchtigt. Solche Doppeltätigkeitsaufgaben zeigen, ob eine Bewegung automatisiert abläuft, d.h. ohne bewusste Steuerung ausgeführt werden kann oder nicht. Des Weiteren trainieren Doppeltätigkeitsaufgaben die Automatisierung von Bewegungen. Gerade im Alltag finden viele Doppeltätigkeitsaufgaben (oder Multi-Taskaufgaben), wie z.B. „über die Straße gehen, reden und gleichzeitig noch auf den Verkehr achten“ statt und sollten daher trainiert werden. Für alle Teilnehmer, die unter dem Uhthoff-Phänomen leiden (wärmeinduzierte Steigerung der Symptomatik) werden Klimaanlagen und bei Bedarf Ventilatoren eingeschaltet. Zusätzlich achten alle Teilnehmer auf kühle Kleidung und Getränke. Zum Cool down nehmen die Teilnehmer an einer Meditationsübung teil, die von einer App geleitet wird. Das Rehabilitationszentrum bietet ebenfalls Hydrotherapie an, in der das gleiche Trainingsprogramm im Bewegungsbad stattfindet, welches von einigen Betroffenen gut vertragen wird.
Mein Fazit:
Die MS-Betroffenen in Australien führen ein hartes Kraftausdauer- und Ausdauertraining durch und können dieses aufgrund der Intervallbelastung auch gut vertragen und umsetzen. Der Fokus der MS-Therapie liegt hier weniger auf dem Training der Koordination (z.B. Gleichgewicht) als mehr auf dem Training von Kraftausdauer im Intervallmodus und dem Training von Doppeltätigkeitsaufgaben. Durch die relativ lange Belastungsdauer von 45 Sekunden und die relativ kurze Pausendauer von 45 Sekunden wird insbesondere die Ermüdungswiderstandsfähigkeit der Muskulatur trainiert. Dies wirkt sich positiv auf die Bewältigung länger andauernde Alltagsaufgaben aus und ist eine adäquate Trainingsmethode um Ziele wie „längere Distanzen gehen zu können“ zu erreichen.
Setzt man sich eher Ziele, die die Koordination betreffen, wie „ein verbessertes Gleichgewicht“, „Sturzvermeidung – Reaktion zum Ausfallschritt“, „Treppensteigen“, „wieder hüpfen oder schnell laufen können“, oder die „Wiederaktivierung von schwachen Muskeln“ müsste das Training anders gestaltet werden. Für ein Koordinationstraining sollte das Training variationsreich, hochintensiv (hohe Belastung und schnelle Bewegung) mit wenigen Wiederholungen, dafür aber langen (und individuelle gestalteten) Pausen durchgeführt werden. Vor allem Bewegungen, die Reflexe generieren, wie zum Beispiel beim varianzbasierten Gangtraining, helfen die gewünschte Muskulatur neben der willentlichen Ansteuerung reflektorisch zu aktivieren.
Ich durfte unser varianzbasiertes Gangtraining daher auch in das Training der MS-Betroffenen in dem australischen Reha-Zentrum einbauen. Die MS-Betroffenen, die mich „ziehen und schieben“ mussten, waren zunächst verblüfft und erstaunt, aber danach waren sie von der „neuen“ Bewegungserfahrung überzeugt und wollten öfter in ihrem Gang- und Gleichgewichtstraining gefordert werden.
Weiterhin viel Spaß beim Training,
Eure Christina
Für alle Faktenliebhaber: MS Betroffene gehen im Durchschnitt pro Tag 5702 Schritte.
Das hat eine Studie aus den USA (Motl et al, 2013) an 786 Personen mit MS gemessen, die einen Schrittzähler über 7 Tage trugen. Damit unterscheidet sich die Schrittzahl von MS Betroffenen um 3539 Schritte pro Tag signifikant von denen der gesunden Kontrollprobanden (= 9342 Schritte pro Tag). Ebenfalls unterscheiden sich Personen mit progredienter (fortschreitender) Verlaufsform (= 3718 Schritte/Tag) signifikant um 2233 Schritte pro Tag von Personen mit schubförmiger remittierender (nichtfortschreitender) Verlaufsform (= 5951 Schritte/Tag).
Solche Vergleichsdaten können ein Richtwert und somit auch ein Ansporn sein, um selbst im Alltag wieder etwas aktiver zu werden. Dennoch sollten solche Daten mit einer gesunden Vorsicht betrachtet werden, da individuelle Gegebenheiten wie Symptome, zusätzliche Erkrankungen zur MS, aktuelle Lebensbedingungen (kleine Kinder, Scheidung, Todesfall, Arbeit) u.v.m. die aktuelle Aktivität herabsetzen können und nicht immer mit allgemeinen Richtwerten verglichen werden können.
Unsere SpoKs bieten Personen mit MS eine sichere Umgebung ihre individuelle Leistungsfähigkeit und Grenzen herauszufinden und liefert das nötige Wissen sowie Handwerkszeug wie man unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten (wieder) sportliche Aktivität in den Alltag einbauen kann.
Quelle: Motl RW, Pilutti LA, Learmonth YC, Goldman MD, Brown T. Clinical Importance of Steps Taken per Day among Persons with Multiple Sclerosis. Villoslada P, ed. PLoS ONE. 2013;8(9):e73247.